Lexikon

Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904

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Eintrag: Zwirn
Zwirn heisst im allgemeinen jeder Faden, der durch Zusammendrehen (Zwirnen) zweier oder mehrerer Fäden entstanden ist. Je nach der Zahl der verwandten Fäden heissen die Z. 2-, 3-, 6-, 8-drähtig usw. Höhere Ziffern verbundener Fäden (von 10 oder 12 ab) gehen über den Begriff von Z. hinaus und bilden Kordeln. Zweifädiger Z. heisst Eisengarn und ist mit Stärke appretiert. Je nach dem Material gibt es Leinen-, Wollen-, Baumwollen-, Seiden- und Hanfzwirn. Häufig nennt man die gezwirnten Artikel dennoch Garn, so namentlich die wollenen und baumwollenen Strickgarne, die alle gezwirnt sind. Die Garne zu den Z. sind in neuerer Zeit hauptsächlich Maschinengarne mit Ausnahme der feinsten Gespinste aus Flachs zu den hochfeinen Spitzen In Böhmen, wo sehr viel Z. von jeher geliefert werden, hat das englische Maschinengarn auch schon grossenteils das Handgarn verdrängt.
Das Z. selbst geschieht auf Maschinen (Zwirnmühlen) die entweder Handmaschinen sind von 16-32 Spindeln oder grosse komplizierte Werke von 100-200 Spindeln, die von Wasser oder Dampf betrieben werden. Die Z. kommen roh oder meist gebleicht in verschiedenen Farben und auch meliert in den Handel und die verschiedenen Stärkegrade sind durch Nummern bestimmt. Das Material zum Nähzwirn, der immer stärker gedreht ist, als andere Sorten, ist Leinen, Hanf oder Baumwolle, die letztere hauptsächlich durch die Engländer eingeführt. Es werden in Deutschland vieler Orten, namentlich auch in Sachsen, gute Zwirne geliefert; indessen besteht doch noch eine ansehnliche Einfuhr von rohen, gebleichten und farbigen Leinenzwirnen aus England, wo vorzügliche Qualitäten von Leith, Paisley, Aberdeen, Dundee und Dublin hergestellt werden.
Z. werden ausser zum Nähen, Stricken, Sticken und Zeichnen auch gebraucht zur Herstellung von Wirkwaren, namentlich Handschuhen und Strümpfen, zu Häkelarbeiten, als Kette zu gewissen Webereiwaren, zu Lampendochten, die feinsten zu Spitzen Der leinene Litzenzwirn ist eine besondere zu den Litzen der Webegeschirre bestimmte Ware. Im sächsischen Vogtlande, der Pflegstätte der Weisswaren und des Spitzenklöppelns, werden die hierzu nötigen Baumwollzwirne und überhaupt alle Zwirnsorten von mehreren grösseren und kleineren Anstalten gefertigt, und es bilden darunter die Z. zur Maschinenstickerei einen starken Anteil. Böhmen liefert besonders im Leitmeritzer Kreise jeden Z., ebenso Laubegast und Lockwitz bei Dresden; ferner Westfalen, Hannover, Hessen, Gotha usw.