An dich, an mich, an alle! - Vom Flugblatt bis zum Handy-Kürzel

Laufzeit: 16. Oktober 2007 bis 06. Januar 2008

Die Ausstellung zeigt im Rahmen des Themenjahres „Mitteilenswert. Ein Jahr der Kommunikation“ streiflichtartig Beispiele visueller Massenkommunikation aus fünf Jahrhunderten, die sich in ihren Ausdrucksformen im Laufe der Zeit extrem gewandelt haben. Dennoch besitzen sie - trotz aller Unterschiedlichkeit in äußerer Form und Wirkungsweise - eine formale Gemeinsamkeit. Das Medium selbst fordert ein effizientes Zusammenspiel von Text und Bild und damit eine prägnante und zugleich anregende Formulierung der Botschaft.
Drei Stationen, die dem Einblattdruck und Flugblatt vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, dem politischen Propagandaplakat des 20. Jahrhundert und der global verbreiteten „Kürzelsprache“ des Medienzeitalters gewidmet sind, lassen die Verschiebung der Kommunikation von bildkräftiger Erzählung hin zu einer auf Codes und Icons verkürzten, durch den schnellen und permanenten Austausch geprägten Sprachbildung sichtbar werden.

Mit der Erfindung des Buchdruckes im frühen 16. Jahrhundert begann der Aufbruch ins Zeitalter der Massenkommunikation und die Informationssteuerung, die durch geschickte Kombinationen von Bild und Text erzielt wurde. Der gehörnte Ehemann, das Staunen erregende Rhinozeros, die neueste barocke Mode für den Kavalier, aber auch die Passion Christi, die Schändlichkeiten der Päpste, der Hochmut der Reichen, die Not der Armen, die Klagen des vom Dreißigjährigen Krieg bedrängten Europa, der Tod Gustav Adolfs, Spott über Napoleon und den deutschen Michel - die Auswahl aus der Sammlung der Stiftung Moritzburg zeigt die Themenvielfalt und den Gestaltungsreichtum des Flugblatts bis weit in das 19. Jahrhundert.

Mit der Erfindung der Litfaßsäule und der Lithographie, die hohe Auflagen erlaubte, dominierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann zunehmend das Plakat die visuelle Kommunikation im öffentlichen Raum. Nun kam es auf eine pointierte Kombination von Bild und Text an, denn der Inhalt sollte mit einem Blick erfassbar sein und sich sofort einprägen. Die Ausstellung konzentriert sich auf das politische Propagandaplakat, die gezeigte Auswahl ist eine Leihgabe des Stadtarchivs Halle.
Vor allem in der Zeit der Weltkriege wurde die öffentliche Meinung durch Plakate beeinflusst. Viele der nationalistischen Propagandaplakate aus der Zeit des Ersten Weltkrieges lassen noch die Herkunft des Plakates aus der Bilderzählung des historischen Flugblattes erkennen.
Die letzte Station widmet sich der „Handy“-Sprache einem Phänomen, das vor allem von der Jugendkultur geprägt wird. In den neuen Medien- und Kommunikationsformen haben sich eine Reihe von hybriden Text- und Bildformen, Zeichen und Kürzeln in allen Sprachen der Welt herausgebildet. Einerseits überschreiten diese „Sprachen“ die muttersprachlichen Grenzen, andererseits ist aber der sprachliche Ausdruck eingeschränkt, er ist stark vereinfacht, voller Kürzel und mit Zeichen - sogenannten Emoticons wie dem weltbekannten Smiley - durchsetzt, der in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert. Simsen, das Versenden von SMS-Nachrichten, oder stundenlanges „chatten“ im Internet zwingt zur radikalen Abkürzung von Äußerungen und wirkt zurück auf die Kommunikationskultur in Chatrooms und E-Mails.
Dieser Ausstellungsteil verlässt den Boden musealer Ausstellungspraxis, denn er ist das Ergebnis eines museumspädagogischen Projektes mit Jugendlichen. Sechs Schulen aus Halle und ihre Partnerschulen im Ausland haben an diesem Projekt mitgewirkt. Schüler verschiedener Altersstufen waren aufgefordert, zwanzig der ihnen liebsten Kürzel auszuwählen, zu übersetzen und graphisch zu gestalten.
Die Ergebnisse dieses Projektes veranlassen zum Nachdenken darüber, welche Rückwirkungen auf die Kommunikation eine solcherart formelhaft begrenzte „Sprache“ haben mag und welche Ausdrucksmöglichkeiten sie sich erschließen kann.
Erst der Nationalsozialismus mit seinem allgegenwärtigen Propagandaapparat zog in der Bildsprache alle Register: Mit unheimlich anmutendem Geschick nutzte er die populäre, naturalistisch-konventionelle Bildsprache ebenso wie die der Moderne und orientierte sich bei der Gestaltung der Plakate immer auch an den neuesten medialen Entwicklungen der Photographie, des Films und des Fernsehens. Ein wichtiges Mittel der Propaganda blieb das Plakat auch zu DDR-Zeiten. In seiner gestalterischen Haltung schwankte es zwischen braver Umsetzung kulturpolitischer Vorgaben und bester Fortsetzung kühner gestalterischer Erfindungen der Moderne. Derartige Propagandaplakate sind aus der visuellen Kommunikation, die heute fast ausschließlich der Werbung dient, weitgehend verschwunden. Auch die Kommunikation von gesellschaftlich-sozialen und kulturellen Anliegen und Ereignissen bewegt sich in der Gegenwart strategisch und gestalterisch auf der Ebene des Werbeplakates, das in der Ausstellung ebenso wie das Kunstplakat bewusst ausgeklammert bleibt.

Kategorien:
Kulturgeschichte |  Ausstellungen im Bundesland Sachsen-Anhalt | Ort:  Halle (Saale) |
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