Wählers Gunst oder Die kleine Rache des Souveräns. Wahlplakate aus drei Jahrzehnten – fotografiert von F.C. Gundlach

Laufzeit: 21. August 2009 bis 27. September 2009

Im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl im September präsentiert das Museum für Kunst und Gewerbe Fotografien F. C. von Gundlachs von manipulierten Wahlplakaten aus den letzten 30 Jahren. Der Mode-fotograf nimmt nicht das Wahlplakat als solches, sondern die oft skurrilen und provokanten Reaktionen des Bürgers auf politische Botschaften und Wahlversprechen ins Visier. Er dokumentiert die Selbstinszenierungen der politischen Prominenz und die „kleine Rache“ des Souveräns, der äußerst kreativ, meist ironisch oder zynisch, aber auch zerstörerisch mit subversiven Kommentaren und Eingriffen seinem Ärger Luft macht und die Glaubwürdigkeit der Politik in Frage stellt. Über 80 Fotografien analysieren, ergänzt durch 30 originale Wahlplakate, den anonymen Dialog von Politik und Wähler im öffentlichen Raum und zeichnen geradezu seismografisch ein Stimmungsbild der spannungsreichen Fernbeziehung zwischen Regierung und Volk.

Durchhalteparolen, Wir-Gefühl und große Versprechen werden – begleitet von geschönten, Vertrauen ausstrahlenden Politikergesichtern – in den nächsten Monaten wieder die Straßen dominieren. Kaum ist die Verwirrung über die eigentliche Bedeutung einer Europa-Wahl verebbt, wartet die nächste Herausforderung auf des Wählers Gunst. Ihnen - dem Wähler und dem Nichtwähler - ist die Ausstellung gewidmet, die die skurrilsten, abwegigsten, provokantesten von Passanten manipulierten Wahlplakatmotive den eigentlichen Werbebotschaften der Parteien gegenüberstellt. Bevor der Bürger am 27. September sein Kreuz für die deutsche parteipolitische Zukunft machen darf und während neue Plakate für ein besseres Deutschland werben, lädt die Ausstellung ein zur Betrachtung der Bürger-Kommentare der vergangenen drei Jahrzehnte.



Ob der Mann oder die Frau auf der Straße sich wirklich am Politikgemenge rächt oder die Gelegenheit beim Schopf packt, sich mehr oder weniger gedankenlos mehr oder weniger künstlerisch zu verwirklichen, bleibt offen. Fest steht: Die Graffitis, Aufkleber, Wortfetzen und Farbattacken sind so flüchtige wie deutliche Meinungsäußerungen und relativieren die Botschaft. Die Bilder fügen sich zusammen zu einer politischen „Nacht“-Geschichte – denn das Manipulieren, Verzieren oder Bemalen der plakatierten Botschaften erfolgt stets in der Dunkelheit. „Volkes Stimme“ wird in den nächtlichen Angriffen auf das Wahlplakat ungefiltert sichtbar, wobei das Plakat, wie die Puppe im Voodoo-Kult, die Angriffe stellvertretend zu erleiden hat. F.C. Gundlach hat die Kommentare eingefangen, bevor sie am nächsten Tag wieder überklebt wurden.



Zur Willy-Brandt-Wahl 1972 begann F.C. Gundlach, die Bundestags-, Europa- und Kommunalwahlplakate mit seiner Kleinbildkamera zu dokumentieren. „Das Plakat als traditionelles Werbemedium hat für die Parteien scheinbar nicht an Attraktivität verloren. Ganze Straßenzüge werden gepflastert mit den Konterfeis der Politiker“, erklärt F.C. Gundlach seine Faszination für die flüchtigen Papierbotschaften. „Über die Jahre werden immer dieselben tradierten Begriffe wie ‚sozial’, ‚frei’, ‚gerecht’ und ‚gleich’ von den unterschiedlichsten Parteien gebraucht und in unterschiedlichsten Kontexten plakatiert“, beschreibt Gundlach das Phänomen der Wahlwerbung. „Was mich aber vor allem interessiert hat bei meiner über drei Jahrzehnte währenden Dokumentation, waren die Manipulationen und Kommentare des Bürgers, des eigentlichen ‚Souveräns’. Diese geschehen häufig in der Anonymität, in der Dunkelheit und sind – sowohl was ihre Fantasie als auch ihre Aggressivität betrifft – unbegrenzt. Die Attraktivität der Plakatierungen hängt vielleicht auch mit unserem heutigen visuellen Rezeptionsverhalten zusammen: Denn die Flut von elektronischen Bildern hinterlässt nicht denselben Eindruck wie ein simples Plakat, das man Tag für Tag an derselben Stelle wahrnimmt.“

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