Ein Lehrer und seine Schüler - Professor Peter Thiele und Tania Engelke, Kurt Neubauer, Mathias Otto

Laufzeit: 23. Oktober 2016 bis 15. Januar 2017

Ein Meister, ein Kunstprofessor, kann bei seinen Studenten einen Kunst-Kosmos aufreißen und sie zu Schaffensräuschen mitnehmen, die im Idealfall ein Leben umbrechen. Derart hinterlassen Lehrerpersönlichkeiten ihren künstlerischen „Fingerabdruck“ in Schülerseelen. Zuweilen bilden sich um solche Koryphäen ganze Schulen. Es ist also ein interessantes Vorhaben, einen Meister im Kontext mit seinen Schülern – und umgekehrt – zu betrachten. Inwieweit prägen seine künstlerischen Erfahrungen und seine Handschrift eine nächste Generation, werden ästhetische Potenziale vererbt und beeinflussen sie Künstlerlaufbahnen? Wie gelingt Abnabelung, wie eigenständiges, egozentrisches Ich-Erleben?

Peter Thiele, Kunstprofessor aus Nürnberg, lehrt seit 35 Jahren. Bereits während seines Studiums an der Essener Folkwangschule entdeckte er seine Berufung fürs Lehramt, das er auch nach seiner Emeritierung an der Technischen Hochschule Nürnberg weiter führt. Er lehrt Grafik und Zeichnung. Diese Linienkünste prägten sein eigenes Lebenswerk. Lineatur fließt ihm sicher aus dem Stift und wird von ihm souverän beherrscht. Seine Neugier und zeichnerische Lust gilt dem unerschöpflichen Menschenpark mit seinen Vermaskierungen. Er nennt es „Nachdenken über das Leben“, zu dem ihm immer die Menschen in ihrer Buntheit gehören. Das macht ihn zum indiskreten Voyeur, der uns nachstellt, kritisch beobachtet, beschattet, bestaunt oder belächelt. Und er konterfeit sowohl das Liebenswerte, Kauzige, Geheimnisvolle als auch das Kuriose, Verschobene, Verschrobene, Verschmitzte und ärgerlich das Skurrile, Bizarre. Und Thiele schätzt die ironisch entlarvende Bildsprache, die Überhöhung, Überspitzung, Überwürzung, während er seine Figuren sich verrenken, verschränken und verknoten lässt.

Bei seinen Studenten legt er besonderen Wert auf das Erspüren und Trainieren des manuellen Zeichnens, des Ertastens und Findens gültiger Linienbahnen. Von digitalem Hilfsgerät hält er nicht viel. Er provoziert die Eleven zu beständiger Suche nach eigener Handschrift und „eigenem Strich“, nach inhärenten Bewegungen und damit zur Entdeckung subjektiver linearer Potenziale. Leitbilder waren ihm Borchert, Itten, Kandinsky und Klee, die er zu seiner spezifisch „Thieleschen“ Methode zusammen- und weiterführte. Ein besonderes Interesse galt dabei immer auch der angewandten Grafik, der Illustration und der Karikatur, wie sie ihm bei Olaf Gulbransson und Hanns Erich Köhler begegneten. Doch im Laufe des Lebens löste er sich immer mehr von diesen prägenden Figuren und fand seinen originären Thieleschen Weg.

Aber noch heute schwärmt der inzwischen 79-Jährige von seinem Lehrauftrag, dessen sozialen Komponenten er sich besonders verbunden fühlt. Er mag hierbei das Zwiegespräch mit seinen Studenten, das er gern zu freudvollem „Ping-Pong“ kultiviert, um dabei immer neue Impulse und Ideen zu entfesseln. Und er legt Wert auf Reibung, Spannung und Kontroverse, weil sie die Fantasie anheizen. Davon profitieren dann Meister und Schüler. Derartiger wechselseitiger Austausch habe auch sein Kunst-Welt-Bild erheblich bereichert. Und er verfolgt die Entwicklungswege seiner Schüler, die, vielleicht mit „Thiele“ im Kopf und Herzen, längst künstlerisch unterwegs sind, und analysiert deren Werdegang. Mancher erfüllt ihn mit Stolz und der Kontakt zu einigen seiner einstigen Studenten besteht dann lebenslang. Und er staunt gar oft über die Arbeiten der Studenten, über deren versiertes Können und bewundert deren Fähigkeit zu Vereinfachungen, um sie in Gebrauchsgrafik zu überführen. Solche künstlerische Verbundenheit führt auch zu menschlicherer Nähe. Er nennt es „meine Kunst-Familie“.

Dem Grafikmuseum Stiftung Schreiner hat Peter Thiele im letzten Jahr einige Grafiken geschenkt. Darunter war auch sein Monumentalwerk „Der Große Bruder“ mit hunderten von Figuren, das das Museum nun erstmals öffentlich zeigen wird.

Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein 76-seitiger Katalog.

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Kunst | Zeitgenössische Kunst | 21. Jahrhundert | Europa | Westeuropa |  Ausstellungen im Bundesland Bayern | Ort:  Bad Steben |
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