Lexikon

Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904

Gesamtindex
Eintrag: Wollengarne
Wollengarne werden auf zwei Arten aus verschiedenen Wollsorten hergestellt, wonach man Streichgarn (engl.: woolen; franz.: laine cardee) und Kammgarn, auch Saye-, Sayet- oder Soyegarn genannt (engl.: worsted; franz. : laine peignee) unterscheidet. Als Streichwolle dient kurze, stark gekräuselte Wolle, als Kammwolle möglichst lange, nicht oder nur wenig gekräuselt. Hiernach und infolge der verschiedenen Behandlung erscheint das Streichgarn im Faden weich und rauh, wollig und dient zu tuchartigen gewalkten Stoffen, während das Kammgarn glatt dichter an Körper ist und zu glatten Zeugen, Tibets u. a. gebraucht wird. Für Streichgarn wird die gereinigte, auf Maschinen gelockerte und mit Oel gefettete Wolle, weiss oder für wollfarbige Tuche schon gefärbt, durch Krempelmaschinen zunächst in rollenartige Tafeln verwandelt und schreitet dann weiter in ähnlicher Weise wie beim Verspinnen von Baumwolle (s. Baumwollengarn) zu Lunte, Vorgespinst und Feingespinst vor.
Zum Belaufe der Kammgarnspinnerei wird dazu die geeignete lange Wolle eingeölt und gekämmt, d. h. durch Beihen von heissen Stahlnadeln gezogen, wodurch die kurzen Fasern (Kämmlinge) herausgehechelt und die langen in parallele Lage zu einander gebracht werden, während die Hitze die Neigung zum Kräuseln aufhebt. Die gekrümmte lange Wolle, der Zug, bildet klafterlange, lockere Bänder, welche der Spinnmaschine übergeben werden. Neben der Handkämmerei hat man verschiedene Kämmmaschinen, doch ist die erstere nicht ganz entbehrlich. Die Weite und das Numerieren des Garns stimmt meistens mit den beim Baumwollgarn üblichen überein. Je nach der Bestimmung der Garne im Webstuhl unterscheidet man auch bei der Wolle Kettengarn und Schussgarn; das erstere erhält beim Spinnen stärkere Drehung als das andere, und für Tuche und andere der Walke unterliegende Stoffe haben beide auch entgegengesetzte Drehungen, das eine rechts, das andere links. Frankreich, nimmt in Bezug auf die Qualität und die hohe Feinheit seiner Streichgarne den ersten Bang ein, namentlich sind die W. von Reims, Elboeuf und Sedan bisher als die feinsten anerkannt. Oesterreich gleicht sich in den mittleren und niederen Sorten mit Frankreich und besitzt in Brünn die grösste Streichgarnspinnerei Europas. Belgien liefert ebenfalls gute, mittlere und gewöhnliche Sorte. Alle diese Länder versorgen England und Deutschland mit Streichgarn