Lexikon

Handwörterbuch der Textilkunde aller Zeiten und Völker für Studierende, Fabrikanten, Kaufleute, Sammler und Zeichner der Gewebe, Stickereien, Spitzen, Teppiche und dergl., sowie für Schule und Haus, bearbeitet von Max Heiden, Stuttgart 1904

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Eintrag: Atlasbindung
Atlasbindung ist neben der Leinwand- und Köperbindung eine Grundbindung in der Weberei (s. Bindungen). Die Hochgänge der Kettfäden, die Bindungspunkte, sind derartig im Bindungsrapport regelmässig verstreut, dass nie zwei Punkte aneinanderstossen. Die Rapportgrösse schwankt je nach Feinheit des Materials und der Dichte der Fadeneinstellung zwischen 5 bis 20bindig. Als vierbin diger Atlas wird häufig der vierbindige Kreuzköper bezeichnet. Die A. ermöglicht durch das lange Flottliegen der Fäden die höchste Glanzentfaltung des Materials. Man unterscheidet der Bindung nach Kettatlas und Schussatlas: je nachdem mehr Kette oder mehr Schuss an der Oberseite des Gewebes liegt. Für die am meisten oben liegende Fadensorte verwendet man das glänzendste Material. (lieber weitere Einzelheiten s. Bindungen in der Weberei ) Man hat Atlas von allen Faserstoffen. Der Seidenatlas ist natürlich der am meisten glänzende, weil man hierzu weiches Fadenmaterial für den Einschlag und zur Kette die feinsten Gespinste wählt. Um dem Stoff in leichteren Qualitäten Halt zu geben und zugleich den Glanz zu erhöhen, werden die Atlasse in der Regel appretiert und zwar um so stärker, je leichter der Stoff ist; den gelinden Appret wendet man nur bei schweren Gattungen an und nur die schwersten Atlaszeuge, wo die Menge der dazu verwendeten ganz feinen Kettenseide dem Stoff Festigkeit und Glanz zugleich verleiht, können den Appret entbehren: Satins sans appret. Diese ungesteiften oder unzugerichteten Atlasstoffe, welche sich beim Anschnitt an den Rändern wie Sammet rollen, werden deshalb Rollatlas genannt.
Der schönste glatte oder einfache Atlas wurde zur Zeit der Renaissance in Italien, vorzüglich in Florenz, Lucca, Genua, Turin und Venedig gefertigt; unter diesen ist wieder der Florentiner der schönste. Gegenwärtig werden in Frankreich, England und Deutschland nicht minder schöne Atlasstoffe gewebt, welche man je nach ihrer Musterung ebenso wie andere schwere Taffet- und Köperzeuge, mit den Zusätzen raye (gestreift), à cadrille (gegittert), à fleurs (mit Blumen), chine (geflammt) u. s. w. bezeichnet. (Vergl. hierüber die einzelnen Artikel.)
Ausser seidenem Atlas werden auch halbseidene, wollene und leinene Stoffe in gleicher Bindung hergestellt. In China wird ein atlasartiger Stoff von Seide und Baumwolle oder von Florettseide und Leinen gewebt, der unter dem Namen Sirsakas in den Handel kommt. Der türkische A. ist ein halbseidener Stoff, in welchem die Kette Baumwolle, der aufliegende Köper Seide ist. Der Brüggesche A. nach gleichnamiger Stadt in Flandern benannt, hat eine Kette von Seide einen Einschlag von Wolle, er wurde zuerst für Tapeten und Möbelbezüge verwendet; jetzt liefern ihn alle grösseren europäischen Fabriken unter dem Namen von Satins, Sateens, glattem Damast u. s. w. Atlas-Brokat ist ein dichtes, schweres wollenes Zeug auf Atlasart, mit erhabenen bunten Blumen, welche durch den Einschlag mit kleinen Schüssen hervorgebracht werden. Der achtbindige Atlas kann wie in Seide, so auch in glatter und glänzender Wolle (Kammgarn), in Baumwolle und Leinen gefertigt werden: man hat darum Atlasdrell, Sateens in Baumwolle und Leinen.